Bewegung tracken? Alter Hut. Den Herzschlag beim Sport messen? Na sicher. Die Überprüfung der eigenen Körperdaten gehört für viele zum Alltag. Jetzt wenden sich Tracker einer noch weitgehend unbekannten Welt zu: dem Schlaf. Wie geht das? Und was bringt das?
Da machst du alles richtig. Gehst dreimal die Woche zum Sport, bewältigst alle Strecken des Alltags mit dem Rad oder zu Fuß. Du ernährst dich gesund, alle deine Daten sind im grünen Bereich. Und trotzdem: So richtig gut geht es dir selten. Und du hast eine Ahnung, woran das liegt, denn nachts wachst du oft auf, du schläfst zu leicht, manchmal hast du abends Angst vor dem Wachliegen in der kommenden Nacht.
Willkommen im Club: Du bist alles andere als allein mit diesem Problem. Bis zu 30 Prozent der Deutschen haben das, was man „fragilen Schlaf“ nennt – im Bett funktioniert es demnach mal besser, mal schlechter. Und bei etwa sechs Prozent sind die Schlafstörungen sogar behandlungsbedürftig. Und es ist ja längst bewiesen, dass Schlafmangel krank macht: Die Folgen reichen von Übergewicht bis zu Herz-Kreislauf-Beschwerden und Depressionen. Und genau hier vermutet die Forschung und Vermessungstechnik tiefliegendes Datengold – wer sich sleepless in Seattle und sonst wo auf der Welt in seinem Bett herumwälzt, soll jetzt seinen Schlaf messen, ihn analysieren und dadurch verbessern. Und tut es auch: Schlaf-Apps für das Smartphone und Schlaftracker erleben einen Boom.
Klingt ja auch einfach und günstig: Ein Smartphone hat jeder, in der Basisversion sind viele Apps kostenlos. Und Schlaftracker für das Handgelenk gibt es schon ab ungefähr 30 Euro. Die Apps zeigen bunte, wissenschaftlich anmutende Kurven und Charts, sie werten unsere verschiedenen Schlafphasen aus und errechnen daraus, wie erholsam unsere Nacht war. Aber was genau wird da eigentlich gemessen? Kommt drauf an. Gehen wir mal davon aus, dass man sich für ein Handgelenksgerät entschieden hat. Dann werden folgende Parameter aufgezeichnet: Die Bewegungen, die man im Schlaf macht, und zwar über einen Beschleunigungssensor. Der Geräuschpegel, dafür gibt es eingebaute Mikrofone. Und der Puls im Schlaf, den ein Sensor am Handgelenk misst. Aus all dem versucht die App zu errechnen, wann wir schlafen und wie tief. Aber hier beginnt bereits das Problem: Liegen wir still im Bett und grübeln, werten das Tracker in der Regel als Schlaf, obwohl wir hellwach sind. Noch weniger sind sie in der Lage, die einzelnen Schlafstadien wie W (Wachphase), N1 (Übergangsphase), N2 (Schlaf) und N3 (Tiefschlaf) und REM-Schlaf zuverlässig abzubilden. Die unterscheiden sich nämlich durch die jeweilige elektrische Gehirnaktivität – und die kann nur im Schlaflabor mittels eines Elektroenzephalogramms gemessen werden. Bei Tests, bei denen Probanden im Schlaflabor über ein EEG überwacht wurden und zeitgleich Schlaftracker getragen haben, bestätigte sich diese Einschätzung des Experten: Die Schlaftracker messen ungenau – und zwar untereinander und auch im Vergleich zum EEG.
Und was heißt das? Na ja: In der Regel wird deutlich zu viel Zeit als Schlaf gewertet. Vor allem der so fürchterlich wichtige Tiefschlaf wird meist falsch eingeschätzt. Und weil das so wichtig ist, führen wir an dieser Stelle mal Doktor Hans Günther Weeß ein. Der leitet nicht nur seit einem Vierteljahrhundert das interdisziplinäre Schlafzentrum am Pfalzklinikum Klingenmünster, sondern ist auch Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Mit anderen Worten: Schlaf ist sein Thema, rund um die Uhr. „Wir verbringen pro Nacht bei einem Schlafbedarf von sieben bis acht Stunden nur etwa 90 Minuten im Tiefschlaf“, sagt Weeß, „das ist deutlich weniger, als die meisten Menschen vermuten“. Schlafuhren hingegen zeigen oft drei Stunden und mehr als Tiefschlaf an – da rümpft man als seriöser Wissenschaftler lediglich die Nase. Auch von Schlafphasenweckern und Schlaftrackern mit intelligenter Weckfunktion hält der Mann wenig: „Da diese Gadgets ja nicht in der Lage sind, die Schlafphasen richtig zu erkennen, können sie uns gar nicht zu einer ‚optimalen’ Zeit wecken.“ Und zu einem echten Problem können Schlaftracker außerdem werden. Nämlich dann, wenn sie dem Träger durch die zu positiv ausfallende Schlafanalyse suggerieren, dass er gar kein Schlafproblem hat. „Oder sie verursachen Stress, weil sie dem Träger eventuell Ergebnisse zeigen, die ihn nicht zufriedenstellen“, sagt Weeß. Und empfiehlt dringen, diese Geräte, egal welcher Marken, als das zu sehen, was sie wirklich sind: Gadgets. „Wer seinen Schlafproblemen wirklich auf den Grund gehen will“, sagt der Doktor, „gehört in ein Schlaflabor.“
Aber er kann dem aktuellen Trend zum Schlaftracking durchaus etwas abgewinnen. „Wenn Schlaftracker dazu führen, sich überhaupt einmal mit dem Thema Schlaf auseinanderzusetzen – wunderbar“, sagt er. „Aber den angezeigten Werten blind zu vertrauen, das ist nicht sinnvoll. Wir sollten wieder versuchen, uns auf unser Bauchgefühl zu verlassen.“ Und überhaupt, eine Message hat er noch: „Smartphone und Co. gehören grundsätzlich aus dem Schlafzimmer verbannt“, sagt Hans Günter Weeß, „wer das macht, schläft automatisch besser ein und durch.“